Zum Vorliegen eines wucherähnlichen Geschäfts bei der Vergütung eines Rettungssanitäters

BAG, Urteil vom 18. März 2014 – 9 AZR 694/12

Zum Vorliegen eines wucherähnlichen Geschäfts bei der Vergütung eines Rettungssanitäters

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Juni 2012 – 9 Sa 2359/11 – teilweise aufgehoben.2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 15. September 2011 – 2 Ca 378/11 – teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt gefasst:Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.556,92 Euro brutto abzüglich 4.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2011 zu zahlen.3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers.

Der 1984 geborene Kläger bestand Ende 2007 zunächst die Prüfung zum Rettungssanitäter und später die staatliche Prüfung zum Rettungsassistenten. Ab 3. Dezember 2007 absolvierte er bei der Beklagten ein sog. Lehrwachen-Praktikum. Hierzu vereinbarten die Parteien am 3. Dezember 2007 ua. Folgendes:

„1.

Herr … wird in der Zeit vom 03.12.2007 bis zum 03.12.2008 ein Lehrwachen-Praktikum durchführen. …

Der/Die Praktikant/in unterliegt nicht den arbeitsrechtlichen Grundsätzen eines Ausbildungs- bzw. Beschäftigungsverhältnisses.

Die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes sowie des Personalvertretungsgesetzes kommen nicht zur Anwendung. …

2.

Der/Die Praktikant/in erhält kein Entgelt und somit unterliegt er/sie … auch nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht.

3.

Das Praktikum wird auf der Grundlage der tariflichen Regelwochenarbeitszeit durchgeführt. …

5.

Die Praktikumsdauer beträgt nach RettAssAPrV ein Jahr. …“

In den ersten drei Monaten wurde der Kläger – zumindest überwiegend – auf dem Krankentransportwagen oder als sog. „dritter Mann“ auf dem Rettungswagen eingesetzt. Er erhielt keine Zahlungen der Beklagten.

Am 29. Februar 2008 vereinbarten die Parteien einen mit „Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte“ überschriebenen „Aushilfsarbeitsvertrag“, wonach der Kläger im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Dezember 2008 als Rettungsdienstmitarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem monatlichen Festentgelt iHv. 400,00 Euro beschäftigt wurde. Als sachlicher Grund für die Befristung wurde ein „vorübergehender erhöhter Arbeitskräftebedarf“ angegeben. In der Vertragsurkunde wird der Kläger durchweg als „Arbeitnehmer“, die Beklagte als „Arbeitgeber[in]“ und das Vertragsverhältnis als „Arbeitsverhältnis“ bezeichnet.

Ab dem 15. März 2008 übernahm der Kläger auch betriebliche Aufgaben und nahm an Einsätzen neben einem Rettungsassistenten oder erfahrenen Rettungssanitäter als sog. „zweiter Mann“ teil. Für die Monate März bis Dezember 2008 zahlte die Beklagte dem Kläger jeweils 400,00 Euro netto. Am 3. Dezember 2008 erteilte sie dem Kläger eine „Bescheinigung über die erfolgreiche Ableistung der praktischen Tätigkeit“.

Der Kläger wurde von der Beklagten über den 31. Dezember 2008 hinaus beschäftigt. Sein monatliches Festentgelt wurde ab Januar 2009 auf 800,00 Euro brutto erhöht. Ab dem 26. Januar 2009 beschäftigte ihn die Beklagte als „Rettungsdienstmitarbeiter auf der Planstelle eines Rettungssanitäters“ mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer monatlichen Vergütung iHv. 1.600,00 Euro brutto, die später auf 1.800,00 Euro brutto erhöht wurde. Am 4. Januar 2010 erhielt der Kläger die behördliche Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ zu führen.

Mit seiner Klage macht der Kläger für die Zeit vom 3. Dezember 2007 bis zum 3. Dezember 2008 weitere Vergütung geltend. Er meint, er habe gemäß den §§ 26, 17 BBiG Anspruch auf eine angemessene monatliche Vergütung iHv. 1.201,25 Euro brutto.

Der Kläger hat sinngemäß – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.415,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Antrag auf Klageabweisung die Ansicht vertreten, für eine Vergütung der Praktikanten im Anerkennungsjahr gebe es keine gesetzliche Grundlage. Es würden ihr dafür auch keine Gelder von Dritten zur Verfügung gestellt. Im Übrigen sei das vom Kläger geforderte Praktikumsentgelt weder branchen- noch ortsüblich. Überwiegend werde Praktikanten kein Entgelt gezahlt, allenfalls erhielten diese Leistungen von Dritten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit für die Revision von Bedeutung – stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger 8.956,92 Euro brutto zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber größtenteils unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung weiterer Vergütung verurteilt.

A. Die Beklagte schuldet dem Kläger für den Klagezeitraum gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG eine monatliche Vergütung iHv. 1.600,00 Euro brutto und damit insgesamt 19.200,00 Euro brutto abzüglich gezahlter 4.000,00 Euro netto. Hiervon hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger 8.956,92 Euro brutto zugesprochen. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts sind die von der Beklagten geleisteten Nettozahlungen nicht mit den Bruttoentgeltansprüchen des Klägers zu verrechnen. Das hat auch der Kläger zunächst mit Recht so gesehen. Im Schriftsatz vom 15. September 2011 hat er die an ihn gezahlten Beträge insgesamt in seinem Klageantrag noch als Nettobetrag ausgewiesen und berücksichtigt.

I. Für die Zeit vom 1. März bis zum 3. Dezember 2008 hatte die Beklagte gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG an den Kläger eine monatliche Vergütung iHv. 1.600,00 Euro brutto zu zahlen. Die Entgeltabrede im Arbeitsvertrag vom 29. Februar 2008 ist gemäß § 134 BGB iVm. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nichtig.

1. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Die Beklagte zahlte dem Kläger ab dem 26. Januar 2009 als „Rettungsdienstmitarbeiter auf der Planstelle eines Rettungssanitäters“ in Vollzeit eine monatliche „Festvergütung“ iHv. 1.600,00 Euro brutto. Dafür, dass es sich bei dieser Vergütung nicht um die Vergütung eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Rettungssanitäters handelt, fehlen Anhaltspunkte. Dies hat die Beklagte auch nicht behauptet.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis. Maßgeblich ist, dass diese am 29. Februar 2008 ausdrücklich einen Arbeitsvertrag abschlossen und darin ua. eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbarten. Damit war der Kläger teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer iSv. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG.

3. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG 14. März 2007 – 5 AZR 499/06 – Rn. 13 mwN). Dementsprechend ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen (BAG 17. Juli 2007 – 9 AZR 1031/06 – Rn. 19, BAGE 123, 255).

4. Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis vorliegt, ist grundsätzlich anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, wobei der objektive Geschäftsinhalt den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen ist. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgeblich (BAG 25. September 2013 – 10 AZR 282/12 – Rn. 17 [zur Abgrenzung von Arbeits- und Werkvertrag]; 29. August 2012 – 10 AZR 499/11 – Rn. 15, BAGE 143, 77 [zur Abgrenzung von Arbeitsvertrag und ehrenamtlicher Tätigkeit]). Durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzes nicht eingeschränkt werden (BAG 12. September 1996 – 5 AZR 1066/94 – zu II 2 der Gründe, BAGE 84, 108).

5. Die Würdigung, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis vorliegt, ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 25. September 2013 – 10 AZR 282/12 – Rn. 18; 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 – Rn. 29). Im Übrigen unterliegt sie wie jede andere Rechtsverletzung der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung.

6. Allerdings gelten die dargestellten Grundsätze zur Ermittlung des Rechtsverhältnisses grundsätzlich nur für solche Fälle, in denen die Parteien ihr Rechtsverhältnis gerade nicht als Arbeitsverhältnis bezeichnet haben, sondern etwa als freies Mitarbeiter- oder Dienstverhältnis. Haben die Parteien dagegen – wie hier – ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen (BAG 12. September 1996 – 5 AZR 1066/94 – zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 84, 108; vgl. auch ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 36).

7. Sachliche Gründe iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG rechtfertigen die Schlechterstellung des Klägers nicht.

a) § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verbietet eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten beim Arbeitsentgelt nicht ausnahmslos. Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des § 4 Abs. 1 TzBfG und der Gesetzesbegründung folgt, dass § 4 Abs. 1 TzBfG ein einheitliches Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit enthält. Aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG, der nicht ausdrücklich eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Arbeitsentgelt zulässt, kann nicht gefolgert werden, § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verbiete ausnahmslos eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten beim Arbeitsentgelt (BAG 5. November 2003 – 5 AZR 8/03 – zu II 1 b der Gründe mwN).

b) Die unterschiedliche vertragliche Arbeitszeit allein rechtfertigt jedoch nicht das Abweichen vom Pro-rata-temporis-Grundsatz. Die Sachgründe müssen anderer Art sein, zB auf der Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen. Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich am Zweck der Leistung zu orientieren (BAG 24. September 2008 – 6 AZR 657/07 – Rn. 33, BAGE 128, 63).

c) Solche sachlichen Gründe hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Sie beruft sich zur Rechtfertigung der vereinbarten geringeren Vergütung lediglich darauf, der Kläger sei nicht als Arbeitnehmer, sondern ausschließlich als Praktikant eingesetzt worden. Dies trifft nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu.

II. Für die Zeit vom 3. Dezember 2007 bis Februar 2008 folgt der Anspruch des Klägers auf eine monatliche Vergütung iHv. 1.600,00 Euro brutto aus § 612 Abs. 2 iVm. § 138 Abs. 1 BGB.

1. Zwischen den Parteien bestand schon ab dem 3. Dezember 2007 ein Arbeitsverhältnis, auch wenn die Vereinbarung vom 3. Dezember 2007 nicht als Arbeitsvertrag bezeichnet ist und nach deren Wortlaut gerade kein Arbeitsverhältnis eingegangen werden sollte. Mit dem Arbeitsvertrag vom 29. Februar 2008 haben die Parteien klargestellt, dass sie ab März 2008 ein Arbeitsverhältnis begründen und der bis dahin in Vollzeit tätige Kläger, der bereits seit Ende 2007 ausgebildeter Rettungssanitäter ist, als Rettungsdienstmitarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt werden soll. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass sich die Tätigkeit, die der Kläger vom 3. Dezember 2007 bis zum 29. Februar 2008 ausübte, oder die bis dahin erfolgte tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ab dem 1. März 2008 wesentlich geändert hat. Dies hat die Beklagte auch nicht behauptet. Vielmehr hat diese in ihrer Revisionsbegründung vorgetragen, mit dem Arbeitsvertrag vom 29. Februar 2008 sei nur die Unentgeltlichkeit der Beschäftigung des Klägers aufgehoben worden. Eine Änderung der Tätigkeit des Klägers ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zwar zum 15. März 2008 eingetreten, als der Kläger auch betriebliche Aufgaben übernahm und an Einsätzen neben einem Rettungsassistenten oder erfahrenen Rettungssanitäter als sog. „zweiter Mann“ teilgenommen hat. Eine solche Änderung ist jedoch für die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses nicht maßgeblich. Dies wird schon daraus deutlich, dass die Beklagte den Bestand eines Arbeitsverhältnisses ab dem 1. März 2008 durch den Wortlaut des Arbeitsvertrags vom 29. Februar 2008 bestätigte.

2. Die Abrede in Ziff. 2 des Arbeitsvertrags vom 3. Dezember 2007, wonach dem Kläger kein Entgelt zustehen sollte, ist als wucherähnliches Geschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Der Kläger hat deshalb nach § 612 Abs. 2 BGB Anspruch auf die übliche Vergütung.

a) Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, wie beispielsweise eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten (BAG 22. April 2009 – 5 AZR 436/08 – Rn. 9 mwN, BAGE 130, 338).

aa) Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind regelmäßig die Tarifentgelte des jeweiligen Wirtschaftszweigs oder – wenn die verkehrsübliche Vergütung geringer ist – das allgemeine Entgeltniveau im Wirtschaftsgebiet. Das Missverhältnis ist auffällig, wenn es einem Kundigen, gegebenenfalls nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne Weiteres „ins Auge springt“ (BAG 17. Oktober 2012 – 5 AZR 792/11 – Rn. 19 mwN, BAGE 143, 212). Dies ist vorliegend der Fall, da der Kläger ohne Anspruch auf Vergütung zur Arbeitsleistung in einer 40-Stunden-Woche verpflichtet sein sollte.

bb) Der notwendige subjektive Tatbestand eines Verhaltens gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB ist ebenfalls erfüllt. Kann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (vgl. BAG 22. April 2009 – 5 AZR 436/08 – Rn. 27 mwN, BAGE 130, 338). Dann bedarf es zwar noch der Behauptung der verwerflichen Gesinnung, doch sind an diesen Vortrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die benachteiligte Vertragspartei sich wie hier auf die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft (BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 268/11 – Rn. 36, BAGE 141, 348; BGH 9. Oktober 2009 – V ZR 178/08 – Rn. 19).

cc) Die Beklagte hat die Vermutung der verwerflichen Gesinnung nicht widerlegt. Die tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des begünstigten Vertragsteils kann zwar im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert werden. Insoweit trägt die begünstigte Vertragspartei die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 268/11 – Rn. 37, BAGE 141, 348). Derartige Umstände hat die Beklagte jedoch weder vorgetragen noch hat das Landesarbeitsgericht solche festgestellt. Der Kläger ist im Gegenteil nach §§ 1, 2, 7 Abs. 1 RettAssG verpflichtet, eine praktische Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 1.600 Stunden zu absolvieren, damit ihm die Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ verliehen werden kann. Das wusste die Beklagte. Wenn diese dem als Rettungssanitäter ausgebildeten Kläger für eine Vollzeittätigkeit keine Vergütung zahlte, spricht dies eher für als gegen eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten.

b) Der Kläger hat für die Zeit vom 3. Dezember 2007 bis Februar 2008 als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB gemäß § 612 Abs. 2 BGB Anspruch auf die übliche monatliche Vergütung iHv. 1.600,00 Euro brutto. Der Anspruch auf die übliche Vergütung besteht für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses (BAG 21. November 2001 – 5 AZR 87/00 – zu II 1 b cc der Gründe, BAGE 100, 1). Maßgeblich ist die übliche Vergütung in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis (BAG 26. April 2006 – 5 AZR 549/05 – Rn. 26 mwN, BAGE 118, 66). Als übliches Entgelt für eine Vollzeittätigkeit als Rettungsdienstmitarbeiter, der zugleich seine praktische Tätigkeit nach § 7 Abs. 1 RettAssG absolviert, ist von einer monatlichen Vergütung iHv. 1.600,00 Euro brutto auszugehen. Eine Vergütung in dieser Höhe hat die Beklagte dem Kläger auch ab Januar 2009 gezahlt. Sie hat nicht vorgetragen, dass diese Vergütung unüblich gewesen sei.

III. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Zwar beträgt der gesetzliche Zinssatz für (Prozess- und Verzugs-)Zinsen nach § 288 Abs. 1 BGB fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der Kläger hat aber lediglich Zinsen in der tenorierten Höhe beantragt.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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